Segelfliegen in Namibia - Urlaub & Coaching mit Flying with the Youngsters

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Namibia - das ist das Paradies für Segelflieger. Der Traum von vielen, hier einmal im Leben gewesen und geflogen zu sein. Wenn man im Condor-Segelflugsimulator auf Thermik "bombastisch" einstellt und jeder Aufwind 5 m/s oder mehr bringt. Clemens berichtet von 2 Wochen als FWTY Trainer.
Arcus M bei Sonnenuntergang in Bitterwasser, Namibia

Nur noch 112 Tage bis zum Frühlingsbeginn, nur noch 112 Tage morgens im klirrend kalten Bad schnell unter die angenehm wärmende Dusche springen, nur noch 112 Tage warme Jacke tragen und die Mütze über die von der Kälte schmerzenden Ohren ziehen, nur noch 112 Tage bis - abgesehen von ein paar möglichen wunderschönen Wellentagen - die ersten guten Wetterlagen im Frühling einen einigermaßen großen Streckenflug erhoffen lassen. 112 Tage bis die Temperaturen wieder auf erträglichere Niveaus klettern  und 112 Tage Erinnerungen an Namibia, einen unvergesslichen Segelfliegerurlaub und tolle zwei Wochen Coaching mit unseren drei Trainees Klaus, Dirk und Michael. 112 Tage Erinnerungen an 35 Grad im Schatten, Flip-Flops, 5500 Meter Basis, das Zischen der Sauerstoffkanüle, 150 km Endanflug, den erfrischenden Pool unter Palmen, hochgewachsene Kakteen, angenehme Abende im Restaurant der Bitterwasser Lodge mit tollen Gesprächen über das Segelfliegen.

Namibia - das ist das Paradies für Segelflieger. Der Traum von vielen, hier einmal im Leben gewesen und geflogen zu sein. Wenn man im Condor-Segelflugsimulator auf Thermik "bombastisch" einstellt und jeder Aufwind 5 m/s oder mehr bringt. Wenn man so hoch fliegt, dass man die Vne nicht überschreiten darf und aufpassen muss, nicht in die Wolke eingesogen zu werden.

Segelfliegen in Namibia ist unbeschreiblich schön - und eine Herausforderung zugleich.

In den letzten zwei Wochen durften Max Dorsch "Dorschi" und ich (Clemens Pape) den drei Trainees Dirk, Michael und Klaus das Fliegen in Namibia bzw. von der Bitterwasser Lodge näher bringen. Die drei sind Fluglehrer und bringen bereits viel Erfahrung im Segelflug mit. Dennoch gibt es in Namibia einige Herausforderungen, bei denen wir als Trainer mit Rat und Tat unterstützend zur Seite stehen können. Anstatt sich über mehrere Saisons das Wissen selbst mit "Try & Error" anzueignen, können die drei in kürzester Zeit einen Quantensprung im Streckenflug machen und von der Erfahrung und Kompetenz von Dorschi und mir profitieren. Mit zwei eigenstartfähigen Arcus M "AA" und "MA" geht es im Teamflug über die Weiten der Kalahari, rund um Windhoek, in Richtung Namib, nach Botswana und sogar Südafrika.

Clemens, Dorschi, Michael, Klaus und Dirk vor der Palmenallee in Bitterwasser (von links nach rechts)

Bitterwasser liegt etwa 3 Stunden Autofahrt südlich von Windhoek, der Hauptstadt von Namibia. Nach einigen Kilometern auf Asphalt geht es bereits über staubige Schotterpisten mit dem Taxi in Richtung Flugplatz Bitterwasser. Ca. drei Millionen Einwohner zählt das Land im Süden Afrikas. Wohlbemerkt bei einer Größe in etwa doppelt so groß wie Deutschland und damit weniger als drei Einwohner pro Quadratkilometer. Vor allem der Süden ist weniger dicht besiedelt als der Norden. Typischerweise führen einen die Flugrouten hier zwischen der Wüste Namib, Windhoek, der Grenze zu Südafrika bzw. Botswana. Ziemlich schnell wird es also einsam auf den Gravel-Roads.

Über die Gravelroads nach Süden Richtung Bitterwasser

Die Bitterwasser Farm liegt direkt an einer ca. 3 x 3 km großen trockenen Lehmpfanne. Diese ist in der kleinen Regenzeit (ca. November bis Januar), die ideale Wetterperiode fürs Segelfliegen in Namibia, ein perfekter Ausgangspunkt für großausgedehnte Streckenflüge. Schon in den 60er Jahren wurden auf der 1955 gegründeten "Diamantenfarm" sportliche Höchstleistungen erzielt. Damals ging es noch um die Startüberhöhung - heute viel mehr um Flüge jenseits der 1000 km. Der bisher größte Flug wurde vom FWTY Piloten Matthias Arnold geflogen - unglaubliche 1.433,51 km mit einem Schnitt von 162,13 km/h.

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Warum der Name Bitterwasser?

In der „Deutschen Zeit" vor dem ersten Weltkrieg wurde Bitterwasser als Farm vermessen und erhielt auch seinen Namen. Das Farmland war etwa 10 Kilometer lang wie breit und hatte eine Fläche von 10 000 Hektar. Bei der Lage am Rande der Kalahari stand nur während der Regenzeit Oberflächenwasser zur Verfügung. Und da der Lehmboden der „Pfanne" sehr natronhaltig ist, schmeckte das Regenwasser in der „Pfanne" so bitter, dass kein Tier dieses Wasser trinken mochte. Daher also der Name Bitterwasser. - Quelle: https://travel.bitterwasser.com/142.html
Die Pfanne von Bitterwasser bei Sonnenuntergang

Die Voraussetzungen für ein sicheres Fliegen in Namibia ist durch die große Pfanne von Bitterwasser ideal. Gestartet und gelandet werden kann nebeneinander. Die Wetterbedingungen sind in der Saison zwischen November und Januar hervorragend. Weiter im Norden auf den Flugplätzen von Kiripotib, Pokweni oder Veronica geht es zwar etwas früher thermisch los, aber des Öfteren sind die Plätze durch Überentwicklungen abends schwer oder gar nicht zu erreichen. Bitterwasser hat also einen großen Sicherheitsvorteil, gegeben durch die großzügige Pfanne und eine Ausweichmöglichkeit nach Mariental im Süden. Ein tolles Restaurant mit exzellentem Essen, schöne Unterkünfte und eine über Jahrzehnte entwickelte Begrünung der Anlage mitten in der Trockensavanne laden auch Nicht-Segelflieger zum Verweilen ein. Wer einmal hier war, möchte wiederkommen.  

Arcus M "AA" am Start in Bitterwasser

Für unsere drei Trainees ging es am 13. November mit Einweisungsflügen gemeinsam mit Dorschi los. Bereits in Deutschland hatten wir uns gemeinsam auf die Zeit in Namibia vorbereitet und gemeinsam in Video-Calls diskutiert, was es alles zu bedenken gibt. Mit Hilfe von WeGlide haben wir zusätzlich Flüge analysiert und erkenntlich gemacht, was Standard-Routen sind und wie man morgens bei schwacher Thermik am besten fliegt um Außenlandemöglichkeiten zu haben.

Der Nordwesten - unlandbar bis auf wenige Außenlandemöglichkeiten, die man kennen muss

Trotz der Vorbereitung am Computer zu Hause gibt es vor Ort viele neue Eindrücke. Zusätzlich muss sich der Körper erst an die Temperaturen und Höhe (Bitterwasser liegt auf 1260 Metern) gewöhnen. Anders als der Inselarzt auf Amrum (meine Oma erzählte mir neulich von ihren Erlebnissen als junge Frau), der neuen Gästen vorschrieb drei Tage das Haus wegen des hohen Iodgehalts der Luft nicht zu verlassen, geht es mit Flying with the Youngsters und der kompetenten Unterstützung von Dorschi, der hier bereits 3 Saisons geflogen ist, schon am ersten Tag gute 200 km in den Nordosten nach Gobabis und zurück. Ein Einweisungsflug mit 400 km! - man kann schon erahnen, welche Dimensionen das Segelfliegen in Namibia hat.

Dorschi schützt sich vor den Temperaturen auf der Pfanne - hier kann es schonmal sehr heiß werden

Bereits an Tag zwei gelingt beiden Teams in den Arcen ein Flug über 1000 km.

Für die Trainees ist es der erste 1000km Flug überhaupt und damit ein besonderes Erlebnis. Wir fliegen gemeinsam im Team in Richtung Nordosten, dann geht es über die kerzengerade und 400 km lange Grenze nach Botswana in Richtung Südosten und sogar bis nach Südafrika hinter dem Lendepass ins Dreiländereck Namibia, Botswana und Südafrika. Hier ist das löwenreichste Gebiet der Welt - ob es nun Segelflieger-Latein ist oder nicht,  eine Außenlandung ist nicht zu empfehlen.  Von hier fliegen wir bis nach Bitterwasser und etwas darüber hinaus. Der krönende Abschluss - Formationsflug und viele tolle Bilder.

Einladend - Tolle Optik am Abend, aber wir müssen nach Westen, damit wir unter immer größeren Wolkenschatten durch die tiefstehende Sonne nicht den Anschluss an die gute Thermik verlieren
Formationsflug am Abend über den Dünen der Kalahari - kann ein Flug schöner enden? 

In zwölf tollen Flugtagen lernen die drei Trainees die Gegend kennen, wir diskutieren die Außenlandemöglichkeiten auf Pfannen, Straßen, Flugplätzen oder Airstrips und wir feilen an Feinheiten, wie dem optimalen Vorflug, Blockspeed oder das Fliegen von Linien bzw. wie man kurbeln optimiert. Außerdem üben wir Teamflug, die Kommunikation im Team und maximieren unsere Strecken bei Wenden sowie im Endanflug (oft weit über 100 km), der hier in Namibia genau zu Sunset (maximal aber 15 Minuten nach Sunset) erfolgt.

Morgens, in brütender Hitze, oft noch tief und bei schwach ausgeprägter Thermik erfahren die drei, dass ein 1000 km Flug in Namibia sehr anstrengend sein kann und man viel Geduld mitbringen muss. Mittags legt sich dann der "Schalter" um und die Basis steigt schlagartig auf atemberaubende Höhen bis weit über 5000 MSL an. Ein gutes Training für das Üben von Rhythmuswechseln zwischen langsamen und vorsichtigem Vortasten und brachialem Vorfliegen mit Stundenschnitten von knappen 200 km/h. Ein wesentliches Learning der vielen gemeinsamen Flüge ist ein ausgeprägtes System- und Wetterverständnis der Gegebenheiten von Namibia.

  • Wie fliegt es sich bei Blauthermik
  • Wie fliege ich die Wolken an (oft sehr groß), Wann gibt es Überentwicklungen?
  • Wie erkenne ich Konvergenzen
  • Wie wähle ich meine Route? Vor allem gegen Abend
  • In welchem Höhenband fliege ich?
  • Wie fliege ich den Endanflug, schaffe ich es zu Sunset nach Hause?
  • Fliegen im homogenen Wetter
  • Fliegen bei androhender Überentwicklung
  • Verhalten bei extremen Wetterbedingungen (Downbursts, Regen)

Am 25.11., dem vorletzten Tag, zeigte sich das Wetter von seiner besten Seite und wir konnten das Gelernte in tolle Flüge mit ca. 1090 km umsetzen. Besonders beeindruckend, eine Linie von Gobabis bis zum Lendepass und darüber hinaus. Stundenschnitte von zwischenzeitlich 203 km/h. Unglaublich. Eine solche Optik habe ich in 5 Saisons in Namibia noch nicht erlebt.

Auf dem Rückweg entlang der Linie bekommen wir an diesem Tag die volle Wucht der Natur zu spüren. Anstatt im ersten Achtel der Wolkenstraße zu fliegen, wählen wir eine direktere Route, wie es oft typisch in Namibia ist, entlang der Flusen. Während östlich von uns extreme Schauer stehen und kalte Luft auf den Boden aufschlägt, die dann bodennah in Richtung Süd-West zieht (zu sehen an den Sandstürmen am Boden) - ein sehr markantes Zeichen von Downdrafts, also extrem schnell abfallende Luft - haben wir zeitgleich ca. 50 km/h West-Süd-West Wind der durch die Absaugung der Linie zu erklären ist.

Ab einer Höhe unter 3000 Meter bekommen wir diese Windscherung heftig zu spüren. Durchbrochen von sehr starker Thermik haben wir für mehrere Minuten keine Sekunde Stille im Arcus und sind den Naturgewalten scheinbar machtlos. Arne Röpling ruft mit einem Lachen durch den Funk: "völliger Kontrollverlust", was etwas überspitzt aber dennoch treffend die Situation beschreibt. Die Arcen scheinen in der Luft zu tanzen und wir fühlen uns eher wie bei Mistral in Südfrankreich im Lee.

Mit mehreren Versuchen und kurzen Phasen von Steigen können wir uns Stück für Stück wieder in Richtung 5000m und der Sonnenkante vorarbeiten und in das ruhige Höhenband zurückkommen. Auch für den Trainer eine spannende Situation. Sehr lehrreich und eine Erlebnis, das wir so schnell nicht vergessen werden. Bernd Dolba beispielsweise, ein für seine großen und schnelle Flüge bekannter Pilot, bis dahin auf Rekordkurs und bereits um 17:30 Uhr über 1000 km geflogen, versucht hier etwas später noch eine direkte Route an den Schauern entlang in Richtung Veronica fliegen, kann sich aber nach knappen 3000 m Höhenverlust nicht mehr aus dem unteren Stockwerk herausarbeiten und muss den Motor seiner JS3 RES zünden.

Ich bin froh, gemeinsam mit den Trainees die richtige Entscheidung getroffen zu haben (was sich im Flug eher danach anfühlte, als würden wir unfassbar viel Zeit verlieren, während man auf 5000m ohne einen Kreis mit leichtem Steigen der Linie folgen konnte). Abends konnten wir nach tollem Endanflug mit einem breiten Grinsen 10 Minuten nach Sunset in Bitterwasser landen.

Nach zwölf gemeinsamen Trainingstagen und vielen tollen Eindrücken sitze ich im kalten Deutschland und kann es kaum erwarten, wieder in Bitterwasser zu sein. 112 Tage bis der kalte Winter vorbei ist, die ersten wärmenden Sonnenstrahlen des Frühlingsanfang wieder den Fokus auf die Saison in Deutschland lenken und die Gedanken an Namibia vermutlich etwas in der Hintergrund rücken.

Danke an Klaus, Dirk und Michael für unvergessliche Tage. Danke an das gesamte Team von Bitterwasser rund um Rainer Hog.. Danke an alle die FWTY unterstützen.

Wenn Du Interesse hast bei Flying with the Youngsters dabei zu sein - schreibe uns einfach eine Nachricht an [email protected] oder besuche unsere Website www.fwty.de. Wichtig: Die Flugzeuge sind meist ab April ausgebucht, also lieber schnell sein!

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Weitere Infos auf www.fwty.de oder www.bitterwasser.com
Email: [email protected] oder [email protected]